Was heißt eigentlich lernen? – Eine Einladung zum Weiterdenken
- Jacqueline Vial
- 7. Apr.
- 3 Min. Lesezeit

„Du musst halt mehr lernen.“ – Wer hat diesen Satz nicht schon gehört? In der Schule, von den Eltern, von sich selbst. Lernen ist ein Begriff, der so tief in unseren Alltag eingebrannt ist, dass wir selten innehalten und fragen: Was bedeutet Lernen eigentlich? Und: Wie geht das überhaupt – lernen?
Lernen ist mehr als Schule
Wenn wir heute vom „Lernen“ sprechen, meinen wir oft das schulische Lernen: Bücher wälzen, Vokabeln pauken, Prüfungen bestehen. Lernen reduziert auf den Moment X – die Bewertung, die Note, das Bestehen. Es ist ein Konzept, das Lernen mit Leistung und Bewertung gleichsetzt und damit einen sehr lebendigen, individuellen Prozess auf ein kollektives Zuhören und Stillsitzen zusammenschnurren lässt.
Aber: Lernen ist doch viel mehr. Lernen passiert überall. Beim Kochen, wenn etwas anbrennt – und wir beim nächsten Mal die Hitze runterdrehen. Beim Streiten, wenn wir merken, dass Zuhören oft mehr bringt als Rechthaben. Beim Scheitern. Beim Lieben. Beim Spielen. Lernen ist Leben.
Lernen braucht Relevanz
Echter Lernprozess braucht Relevanz. Das, was wir lernen, muss eine Bedeutung für uns haben – in unserem Denken, Fühlen oder Handeln. Lernen, das nur dem Zweck dient, eine Note zu bekommen, bleibt oft oberflächlich. Ohne Anwendung, ohne Bezug, ohne eigene Verbindung zum Inhalt bleibt es leere Information – schnell vergessen, nie verinnerlicht.
Der Philosoph Bertrand Stern beschreibt Vergessen einmal als „Selbstreinigung des Organismus“. Ein starker Gedanke. Unser Gehirn wirft raus, was keine Anwendung findet, was für unser Leben keine Relevanz hat. Warum sollten wir uns also wundern, wenn vieles, was wir in der Schule gelernt haben, schon Monate später nicht mehr greifbar ist?
Lernen ist Aktivität, kein Zustand
Lernen ist kein passiver Zustand. Es passiert nicht einfach „mit“, wenn wir still dasitzen. Lernen ist eine aktive Handlung, ein innerer Prozess. Es braucht Beteiligung, Auseinandersetzung, Interesse. Lernen passiert durch Übung, durch Wiederholung, durch Ausprobieren, durch Irrtum. Nur was wir tun, können wir wirklich begreifen. Lernen ist also nicht das „Büffeln“ von Fakten, sondern das Erforschen, das Erleben, das Erfahren.
Und hier liegt ein großes Missverständnis unseres Bildungssystems: Es erwartet von jungen Menschen, dass sie sich passiv Wissen aneignen, das oft weit entfernt von ihrer Lebensrealität ist – und das, obwohl Lernen eigentlich etwas sehr Persönliches und Aktives ist.
Was, wenn schulisches Lernen nicht (mehr) geht?
Was passiert, wenn ein junger Mensch genau das spürt – dass dieses schulische Lernen, so wie es von ihm verlangt wird, für ihn nicht (mehr) funktioniert? Ist er dann „lernunfähig“? Oder hat er nur verstanden, dass das, was man ihm als Lernen verkauft, mit echtem Lernen gar nicht so viel zu tun hat?
Vielleicht ist dieser Widerstand kein Zeichen von Versagen, sondern ein stiller Protest gegen ein reduziertes Lernverständnis. Ein Ruf nach echter Bildung. Nach Sinn. Nach Lernen mit Herz und Verstand.
Lernen – neu gedacht
Lernen darf wieder das werden, was es im Kern ist: ein lebenslanger, individueller, freudvoller Prozess. Kein Zwang, sondern ein innerer Antrieb. Kein Druck, sondern Neugier. Kein reines Wissen anhäufen, sondern Erfahrungen machen, Zusammenhänge erkennen, wachsen.
Wir sollten beginnen, den Begriff „Lernen“ zurückzuerobern. Ihn zu befreien von der Enge schulischer Konzepte. Und ihn neu zu füllen – mit Leben, mit Fragen, mit Bewegung.
Denn Lernen ist nicht nur das, was in Klassenzimmern passiert.
Lernen ist das, was geschieht, wenn wir uns auf das Leben einlassen.
Lass uns gemeinsam weiterdenken, hinterfragen, neue Wege entdecken.
Wie lernen wir wirklich? Und wie wollen wir lernen – als Kinder, als Jugendliche, als Erwachsene? Denn eines ist sicher: Lernen hört nie auf.
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